Tutorial: Ablegen vom Steg mit Mooring
Tutorial zu Newsletter von sailteam.ch vom Januar 2021
Hafenmanöver mit der Segelyacht
Wir werden dieses Thema in den nächsten 3 -4 Tutorials behandeln
Natürlich können in diesem Kapitel nicht sämtliche Hafenmanöver und sämtliche Aspekte der Hafenmanöver beleuchten. Das gäbe ein dickes Buch….
Wir beschränken uns auf die Hafenmanöver, die für uns v.a. in den Mittelmeerhäfen wichtig sind und die wir auch in unserem jährlichen Skipperkurs obligatorisch üben. Dass man Hafenmanöver nicht nur theoretisch lernen kann, ist selbstredend.
Deshalb empfehlen wir allen Interessenten den Besuch eines Skipperkurses (hier kannst Du Dich über unser Skippertraining informieren und Dich direkt anmelden) )
Manöver: Ablegen vom Steg in der Marina mit Mooringleinen
Wenn wir in der Marina ankommen, finden wir unser Boot in einer langen Reihe anderer Schiffe dicht an dicht parkiert. Im Heck zwei Achterleinen, im Bug 2 Mooringleinen: die Boote stehen oft sehr dicht…!
Natürlich machen wir uns sofort Gedanken: wie kommen wir hier weg, ohne mit dem Ruder, dem Kiel oder – im schlimmsten Fall – mit der Schraube eine Mooringleine eines unserer Nachbarn oder unseres Gegenübers zu erwischen, resp. daran hängen zu bleiben?
Und was, wenn beim Ablegen noch starker Seitenwind dazu kommt?
Vorbereitung des Ablegemanövers
Als allererstes beobachten wir genau die Situation:
Wie sind die Festmacher angebracht
A) Achterleinen:
- Sind sie auf Slip? (d.h. laufen sie frei durch einen Ring oder um einen Poller am Steg und zurück zu unserer Heckklampe) oder sind sie am Steg evtl. mit einem Palstek belegt?
- Wie ist das feste Ende der Leine an der Klampe befestigt? Palstek? Kopfschlag? Irgend ein selbst gebastelter „Knoten“?
- Hat es evtl. Knoten oder Verwirrungen in der Leine? (solche Leinen müssen ausgetauscht werden)
Falls wir mit der Anbindung nicht zufrieden sind, müssen wir das vor dem Ablegen korrigieren:
- Leine auf Slip (d.h. um den Poller am Steg zurück zum Schiff geführt und nicht am Poller belegt!)
- Festes Ende: Kopfschlag (kein Palstek!) ( so können wir, falls beim Wegfahren die Leine am Steg irgendwo klemmt oder sich verheddert, die Leine sofort lösen und diese loswerfen – wir können die Leine dann später mit Dinghi oder sonstwie immer noch holen – alles besser als ein verpfuschtes Ablegemanöver!)
- Das zu lösende Ende auf Slip über Klampe fest in der Hand des Leinenmannes/der Leinenfrau
Zum Ablegen: Möglichst das kurze Ende der Leine einholen – der lange Teil soll auf dem Schiff sein und dort auch bleiben – so verringern wir das Risiko, dass sich die Leine beim Ablegen irgendwo am Steg verheddert. Vorgängig Leine entsprechend korrigieren und festmachen.
B) Schraubeneffekt (engl. „Prop-kick“) Es ist Wichtig, vor dem Ablegen zu wissen, in welche Richtung die Schraube uns ziehen wird, falls wir rückwärts aus der Gasse raus fahren müssen ( siehe weiter unten bei „Ablegen mit Wind in die Gasse rein“) Dies können wir mit gelockerten Achterleinen am Platz durch kurzes Einlegen des Retourganges feststellen. linksdrehend: Schraube zieht mit Retourgang das Heck nach Steuerbord / rechtsdrehend: Schraube zieht das Heck mit Retourgang nach Backbord) Bei Booten mit Wellenantrieb ist der Schraubeneffekt recht ausgeprägt, bei Booten mit Saildrive ist der Schraubeneffekt eher schwach.
C) Mooringleinen
Wie sind unsere eigenen Mooringleinen belegt und wie verlaufen sie
Wie verlaufen die Mooringleinen unserer Nachbarlieger
Wie verlaufen die Mooringleinen der Boote gegenüber auf der anderen Seite der Gasse
Beim Ablegen kommen die gegenüberliegenden Mooringleinen oft bedrohlich nahe!
D) Platzverhältnisse allgemein Gerade in Mittelmeerhäfen sind die Platzverhältnisse oft sehr prekär – oft kann das Manöver nur von erfahrenen Schiffsführern durchgeführt werden. Es ist auch keine Schande, vom Vercharterer zu verlangen, dass sie selbst das Schiff von diesem engen Platz wegfahren. Man kann diesen Mann dann immer noch an irgendeinem Steg absetzen. Alles besser als einem Nachbarschiff in die Mooringleine zu fahren oder darin hängen zu bleiben. Oft kommt einem auch ein Marinero mit seinem Gummiboot zu Hilfe. Diese Hilfe unbedingt annehmen!
E) Wind
Die Beobachtung des einfallenden Windes ist wohl das wichtigste Element für ein Gelingen des Ablegemanövers.
Welches ist unsere LUV-resp. LEE-Seite?
Bläst der Wind genau auf den Bug?
Kommt der Wind genau von achtern?
Hat es gar keinen Wind?
Das Ablegemanöver:
- Crew einteilen!
- Ein Man/eine Frau an jede Leine (falls genügend Crew)
- Mind. eine Person an die Fender (wichtig: die Fender bleiben beim Ablegen oft an den Fendern des Nachabrschiffes hängen: wenn der Nachbar gut gefendert hat: am besten einige (oder alle!) eigene Fender schon vor dem Ablegen einholen)
A ) Ablegen mit Wind aus der Gasse raus: Der Wind hilft uns also, den Bug in die Gasse in die gewünschte Richtung zu drehen
Deutliche laute Kommandos, mit Mooringmann/frau Handzeichen verabreden
- Achterleine im Lee los und einholen / Mooring im Lee los
- Achterleine im Luv und Luv-Mooring auf Slip: festhalten
- Leichter Vorwärtschub: Eindampfen in die Luv-Achterleine, Steuer nach LUV!
- Mooring im LUV los (Mooringmann/frau gibt Zeichen, sobald die Mooring tief genug ist, um gefahrenlos darüber fahren zu können!)
- Durch den Vorwärtsschub und das gleichzeitige Festhalten der Luv-Achterleine und das Steuer nach Luv, können wir den Bug halten, so dass er uns nicht ins Lee fällt – sonst würden wir unweigerlich in die Mooringleine des im Lee liegenden Schiffes fahren!
- Sobalde der Bug dort liegt, wo wir ihn haben wollen – also leicht im Luv – Luv-Achterleine langsam fieren – und auf Kommando einholen
- Steuermann steuert senkrecht aus dem Platz und dreht erst in die Gasse, wenn er die Mooring des LEE-Nachbarn gut passieren kann und auch unser Heck nicht mit dem LUV – Nachbar in Konflikt kommt.
Besonderes: wenn uns der Wind behilflich ist, den Bug in die gewünschte Richtung in die Gasse zu schieben: Fahrt reduzieren, um dem Wind Zeit zu lassen, den Bug in die Gasse zu schieben. Evt, falls die Paltzverhältnisse eng sind: kurz aber kräftig: Retourgang einlegen.
B) Ablegen mit Wind in die Gasse rein
Manöver genau gleich wie bei A) obwohl dies in diesem Fall ja die falsche Rchtung ist, dann aber, sobald wir in der Gasse stehen: rückwärts aus der Gasse raus mit dem Wind im Heck! Zuerst kräftig Retourschub einlegen bis Schiff Fahrt aufgenommen hat- dann Fahrt reduzieren
Achtung: Schraubeneffekt: Zu Beginn – bis das Boot Fahrt aufgenommen hat – wird uns die Schraube beim Einlegen des Retourganges auf die entsprechende Seite ziehen – deshalb vor dem Ablegen sich vergewissern, in welche Richtung uns die Schraube ziehen wird – das heisst, sicher sein, ob es sich um eine linksdrehende Schraube (zieht beim Retourfahren in Fahrtrichtung nach links – also auf die Steuerbordseite!) oder um eine rechtsdrehende Schraube handelt (umgekehrt)
Ablegen bei sehr enger Gasse:
Zusätzlich zum oben beschriebenen Ablegemanöver nehmen wir eine Mitteslspring als Manöverleine zu Hilfe: diese bringen wir auf Slip um die Bugklampe des Nachbarn (zuerst um Erlaubnis bitten!) zu unserer Mittelklampe: sobald wir an der Mooringleine des Nachbarn vorbei sind; diese Leine kurz festhalten → unser Boot wird sich kräftig in die gewünschte Richtung drehen (unsere Mittelklampe ist in diesem Moment der Drehpunkt) Sobald das Boot parallel zur Gasse steht: diese Manöverleine Leine einholen! – und Vorwärtsschub!
C) Ablegen mit Wind auf den Bug
Wenn der Wind genau auf den Bug bläst, ist es entscheidend, in beide Achterleinen gleichzeitig einzudampfen und dann beide Moorings gleichzeitig zu lösen: Die Achterleinen anschliessend parallel fieren und einholen! So kann sich der Bug nicht wegdrehen, und wir kommen gerade aus unserem Platz. Sobald wir genug weit draussen sind, steuern wir in die gewünschte Richtung. Ab jetzt hilft uns der Wind beim Drehen. Sobald wir in der Gasse sind, genügend Fahrt aufnehmen, damit uns der Wind nicht in die leewärts liegenden Moorings treibt.
D) Ablegen mit Wind im Heck
Dies ist der einfachste Fall: beide Moorings los, beide Achterleinen gleichzeitig los – rausfahren und rechtzeitig in die Gasse drehen: der Wind treibt uns ja noch etwas von den luvseitigen Moorings weg, da er ja vom Steg her kommt!
Bugstrahlruder: Neuere grössere Boote (meist ab 45 Fuss) haben in der Regel ein Bugstrahlruder. Die Manöver verlaufen genau gleich wie oben beschrieben. Das Bugstrahlruder ist aber ein sehr nützliches Hilfsmittel. Gerade bei engen Platzverhältnissen kann es sehr hilfreich sein und die Gefahr einer Havarie deutlich vermindern. Bei starkem Seitenwind ist es aber beinahe nutzlos, da die Wirkungskraft sehr beschränkt ist! Es kann höchstens noch etwas zur Unterstützung – oder zur Verhinderung – des Abdrehens des Buges beitragen.
Um all diese Manöver – und natürlich noch viele mehr – (siehe Tutorials in den kommenden Newsletters) zu üben, führen wir jedes Jahr einen Skipper-und Manöverkurs durch. Dies tun wir in kleinen Gruppen (max. 5 Teilnehmer): so kommt jede / jeder TeilnehmerIn mehrmals täglich an die Reihe mit Manöverübungen und sollte am Ende dieser Kurswoche fähig sein, auch unter schwierigeren Verhältnissen, diese Manöver zu beherrschen!
Unsere Skipperkurse und Trainings für angehende Charterskipper: www.sailteam.ch – unsere Angebote – Skippertraining
Wir wünschen allen SegelfreundInnen viel Erfolg bei den kommenden Hafenmanöver
Uwe Bechmann und Dan Sennhauser (Skipper und Instruktor / RYA -Yachtmaster)
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